Zum herbstlichen Vogelzug nach Helgoland

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Knapp 60 km von der niedersächsischen Küste bei Cuxhaven entfernt liegt Deutschlands einzige Hochseeinsel: Helgoland. Den Beinamen „Vogelinsel“ trägt Helgoland zurecht, wurden doch bislang 426 Vogelarten auf diesem nur 1,7 Quadratkilometer großen Eiland (Hauptinsel und Düne) nachgewiesen. Dies verleiht der Insel weit über die Grenzen Deutschlands und gar Europas hinaus einen ganz besonderen Status. Vögel sind hier allgegenwärtig. Somit eignet sich die ganze Insel zur Vogelbeobachtung und Fotografie.

Im Gegensatz zu den meist mit Spektiven ausgestatteten Ornithologen müssen wir Naturfotografen selbst mit großen Teleobjektiven aber ein stückweit näher ans Tier heran. Es versteht sich von selbst, dass dieser Abstand vom Tier bestimmt wird und nicht vom Fotografen. Verhält man sich ruhig und rücksichtsvoll, so ergeben sich gerade auf Helgoland, allein aufgrund der Masse der Vögel, tolle Möglichkeiten für Vogelfotos.

Insbesondere zur herbstlichen Vogelzugzeit bietet sich dem Besucher ein einmaliges Schauspiel, wenngleich Helgoland zu jeder Jahreszeit eine Reise Wert ist. Neben dem avifaunistischen Reichtum lassen sich zudem Seehunde und Kegelrobben auf der Düne beobachten und fotografieren. 

Auch hier gilt – gerade zur Zeit der Geburten und der Jungtieraufzucht – Abstand halten; mit Teleobjektiven aber gar kein Problem. Ich besuchte Helgoland bereits mehrfach und besonders gerne im September/Oktober. Wer mit dem Schiff anreist (Alternativen sind der Katamaran oder das Flugzeug), der wird in der Saison bis Ende September „ausgebootet“. Einige hundert Meter vor dem Hafen heißt es dann samt Gepäck „umsteigen“ auf ein sogenanntes „Börteboot“. Nötig ist dieses Schauspiel eigentlich nicht. Bislang siegt aber die Tradition und für so manchen Touristen bedeutet dies einen der Höhepunkte der Reise. Bei höherem Wellengang schaukelt die Angelegenheit gewaltig. 

Gerade als Fotograf trägt man ja meist deutlich mehr als der übliche Tagestourist mit sich. Insofern ist hier optimales Packen umso notwendiger. Einmal angelandet kann es dann zum Hotel oder zur Pension gehen. Die Insel hat hier in allen Preisklassen etwas zu bieten. Wo man untergebracht ist, ist eigentlich weniger wichtig. Die Wege zu allen guten Fotopunkten sind kurz.

Wer im Oberland untergebracht ist, ist von dort aus am schnellsten am „Lummenfelsen“ und der „Langen Anna“. „Unterländer“ sind hingegen schnell am „Kringel“. Damit sind schon zwei besonders gute Bereiche genannt, an denen gute Vogelfotografien ermöglicht werden. Ein dritter Punkt ist der Nordstrand, insbesondere für das Fotografieren von Watvögeln (Limikolen). Darüber hinaus ist die Düne ein Muss. Hier lassen sich Vögel und Robben gleichermaßen gut fotografieren. Insgesamt ist die ganze Insel fototauglich. Gerade zur Zugzeit landen rastende Kleinvögel an allen möglichen Stellen. So wird der Strauch oder die Pfütze vorm Hotel schnell zum Beobachtungspunkt.

Auf zu den Baßtölpeln

1991 brütete am Lummenfelsen auf Helgoland erstmals ein Baßtölpelpaar. Tragischerweise verfing sich der Jungvogel in einem als Nistmaterial verwendeten Fischernetz und starb – ein Schicksal das heute viele Jung- und Altvögel teilen. Nahezu jedes Nest besteht zu einem guten Teil aus buntem Plastikmüll. Die natürliche Sterblichkeitsrate der Jungvögel erhöht sich dadurch bis auf das Fünffache. Der Bestand stieg in den 1990er Jahren zunächst langsam, dann aber sprunghaft an, so dass mittlerweile über 1.000 Brutpaare zur Eiablage kommen. Der Ausflug der Jungvögel erstreckt sich von Mitte August bis spätestens Mitte Oktober. Mittlerweile sind Baßtölpel ganzjährig auf Helgoland zu beobachten. Wer also im Herbst anreist, um den Vogelzug mitzubekommen, der wird in jedem Fall noch Baßtölpel antreffen – aber nicht mehr unbedingt Jungvögel.

Zum Lummenfelsen und der Langen Anna gelangt man vom Unterland am besten über den Aufzug zwischen Unter- und Oberland. Alternativ kann man die daneben liegende Treppe benutzen, was mit der mitgenommenen Ausrüstung das Warmlaufen überflüssig macht. Oben angekommen geht man entweder einfach geradeaus durchs Oberland in Richtung Leuchtturm und schwenkt von dort aus auf den Klippenrandweg ein, oder man hält sich vom Fahrstuhl aus scharf rechts oder links, um direkt auf den Klippenrandweg zu gelangen.

  Drüsenkopf auf South Plaza (01.05.2018)

Wie auch immer man geht, bis zum Zielpunkt braucht es je nach Gehtempo etwa 15-20, maximal 30 Minuten. Es sei denn, mal bleibt unterwegs an durchziehenden Drosseln, Wiesenpiepern oder Finken hängen, die einem vor die Linse fliegen. Und davon gibt es an guten Zugtagen mehr als reichlich. Um diese fotogen abzulichten, gibt es aber bessere Möglichkeiten. Daher ist es empfehlenswert, geradewegs den Lummenfelsen anzusteuern. Ich finde besonders die Lichtsituation am Morgen/Vormittag sehr attraktiv. Außerdem sind dann die Tagestouristen noch nicht gelandet, um die Aussichtspunkte nahe der Langen Anna zu stürmen.

Wer früh aufsteht hat also das beste Licht und seine fotografische Ruhe. Früh heißt Ende September/Anfang Oktober, dass man spätestens gegen 9.00 Uhr vor Ort sein sollte. Bis 11 oder 12 Uhr hat man dann die besten Möglichkeiten und das schönste Licht.

Die Baßtölpel kündigen sich schon von weitem durch ihr lautes Gezeter an. Da viele zu dieser Jahreszeit nicht mehr brüten, umfliegen sie v.a. die Lange Anna. Selbst mit großen Teleobjektiven hat man dann für Portraits schlechte Karten. Es gelingen aber schöne Ansichten des imposanten Felsens mit der Kolonie. In der Regel sitzen aber auch am Lummenfelsen noch viele Baßtölpel und die bekommt man teilweise sogar ohne Telebrennweiten. Viele Aufnahmen dort habe ich mit einem 70-300 mm Objektiv gemacht. Mit dem Zoom ist man flexibel. Außerdem ist es gerade noch so leicht, dass man aus der Hand Flugaufnahmen machen kann. Viele Baßtölpel fliegen die Küstenlinie ab, nachdem sie vom Meer kommend die Lange Anna ansteuern. Dann fliegen sie nur wenige Meter an einem vorbei und das ist die Gelegenheit für gute Fotos.

Am besten stellt man bei möglichst kurzen Belichtungszeiten auf „Dauerfeuer“. Bereits nach kurzer Zeit sind in der Regel gute Aufnahmen gelungen – insbesondere dann, wenn man als Hintergrund das tiefblaue Meer mit dem farbigen Felswatt wählt, also nicht gegen den Himmel sondern leicht nach unten fotografiert. Reizvoll sind auch Wischerfotos. Durch das Mitziehen der Kamera und längere Belichtungszeiten erhält man so sehr dynamische Bilder.

Im Frühjahr und Sommer sind auf Helgoland neben den Baßtölpeln weitere Felsenbrüter vor Ort, v.a. Trottellummen und Dreizehenmöwen, ferner auch Tordalke, Silbermöwen und Eissturmvögel. Höhepunkt des sommerlichen Prozederes ist der Lummensprung. Der Lummenfelsen reicht direkt ins Meer hinein, so dass die vom Felsen herabspringenden Jungvögel im Wasser bzw. dem dortigen Felswatt landen. Dieses Schauspiel findet in der Regel im Juni statt, ist aber fotografisch kaum festzuhalten, da es sich abends bzw. nachts abspielt. Zudem ist dieser Bereich aus Naturschutzgründen nicht zugänglich. Überhaupt sollte man sich strikt an die Absperrungen halten. Wer die Zäune am Klippenrandweg übersteigt, der riskiert sein Leben und stört das Brutgeschehen erheblich.

Limikolen am Nordstrand

Vom Hauptaussichtspunkt der Langen Anna bis zum Nordstrand sind es über den Klippenrandweg nur einige hundert Meter. Luftlinie wohl gemerkt. Denn vom Randweg aus muss man zum Strand über eine steile Treppe absteigen. Kein Problem für jemanden, der gut zu Fuß ist. Wer diesbezüglich Schwierigkeiten hat, dem sei der gut ausgebaute, ebenerdige Weg vom Nordost Hafen aus empfohlen, der zunächst am Schwimmbad und später an der Jugendherberge vorbei führt.

Der Nordstrand auf Helgoland ist hervorragend geeignet für die Fotografie von Watvögeln. Am besten setzt man sich einfach hin und wartet darauf, dass die Tiere näher kommen. Ein Tarnumhang oder –zelt ist sicher hilfreich und verkürzt die Wartezeit, ist letztlich aber nicht nötig, zumal wenn weitere Besucher den Strandabschnitt bevölkern. So mancher Zeitgenosse achtet dabei nicht auf die am Strand stehenden Vögel und scheucht sie auf. Ärgern lohnt sich aber nicht, denn das kann einem auch zum Vorteil gereichen, wenn der Limikolenschwarm dann plötzlich nur wenige Meter vor einem landet.

Ich finde das flach einfallende Seitenlicht am Nachmittag am schönsten. Dieses erzeugt auf dem Wasser glitzernde Lichtfunken und zeigt die am Strand entlanglaufenden Vögel in wunderschönen, warmen Farben. 

Zur Zugzeit kann man an dieser Stelle ein ganzes Sammelsurium an Watvogelarten beobachten und fotografieren, darunter Pfuhlschnepfen, Alpenstrandläufer, Sanderlinge, Steinwälzer, Austernfischer, Rotschenkel und Kiebitzregenpfeifer, um nur einige zu nennen. Neben den Limikolen bevölkern auch durchziehende Kleinvögel den Strand, allen voran Wiesenpieper und Stare, die sich mit den Tangfliegen den Bauch voll schlagen. Wer Glück hat, der erwischt auch die Ohrenlerche.

Apropos Tangfliegen: empfindlich sollte man nicht sein, wenn man am Nordstrand auf Vögel ansitzt. Der dort angespülte Tang ist nämlich Brutstätte für diese Art, die in unzähliger Zahl den Strand bevölkert. Aber gerade das macht seine Attraktivität für durchziehende Vögel aus. Im Grunde genommen müssen die Vögel nur den Schnabel aufhalten, um sich reichhaltig zu stärken.

Kleinvogelzug am Kringel

Am genau dem Nordstrand entgegen gesetzten Ende der Hauptinsel liegt im Süden der sogenannte Kringel. Dieser stellt die zum Meer abfallende Außenseite eines riesigen Sprengtrichters aus dem Jahr 1947 dar. Der Sprengtrichter selbst bildet das sogenannte Mittelland. Die Hangbereiche sind zu beiden Seiten mit Büschen bewachsen. Das macht diesen Bereich zur Zugzeit ungemein attraktiv für Kleinvögel. Im Schlepptau des Kleinvogelzuges ist der Sperber Dauergast. Wer Glück hat kann auch Merlin und Wanderfalken beobachten.

Man erreicht den Kringel am besten vom Unterland aus über das Binnenhafengelände. Von der Hafenstraße zweigt dann unscheinbar der Weg „Am Kringel“ ab. Kommt man vom westlichen Klippenrandweg, so kann man den Kringel auch über unbefestigte Wege bergab laufend erreichen.

Die Masse der durchziehenden und in den Büschen und am angrenzenden Kringelstrand nahrungssuchenden Kleinvögel ist beeindruckend. Am besten, man positioniert sich mit Stativ und Teleobjektiv einfach in der Nähe eines Busches und harrt der Vögel, die da kommen. Rot- und Braunkehlchen, diverse Drosselarten, Finkenvögel, Stare, Laubsänger und vieles mehr fliegen die Büsche an. Wiesenpieper, Steinschmätzer und Bachstelzen bevölkern die strandnahen Kies- und Steinflächen. An guten Zugtagen sitzen hier hunderte von Vögeln und noch mehr ziehen einem über den Kopf hinweg in Richtung Süden zum Festland – ein beeindruckendes Schauspiel. Da man sich hier überall gut positionieren kann und die grundlegende Exposition Süd ist, spielt die Tageszeit eine weniger wichtige Rolle. Selbst bei „hartem“ Mittagslicht gelangen mir viele schöne Aufnahmen.

Überfahrt zur Düne: Seehunde und Kegelrobben

Östlich der Hauptinsel liegt die etwa 0,7 Quadratkilometer große zweite Insel, genannt Düne. Für kleines Geld verkehrt eine regelmäßige wechselnde „Fähre“ zwischen den Inseln. Wer auf die Düne übersetzt, will v.a. eines sehen: Robben.

Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es hier auf Helgoland nicht nur gebärende Seehunde, sondern auch Kegelrobben – aktuell Mitte Dez. 2019 wurden 474 Jungtiere gezählt. Damit sind gleich zwei Robbenarten auf der Düne vertreten. Die Tiere liegen meistens am nördlichen Strand, der gerade einmal 150 Meter vom Hafen entfernt beginnt. Es gilt das Gebot, von den Tieren 30 Meter Abstand zu halten. Bei der Größe der Tiere ist das mit Teleobjektiven überhaupt kein Problem. Am besten, man setzt sich in dieser Entfernung ruhig hin. Bei schönem Wetter im Herbst ist das Licht (ähnlich wie am Nordstrand der Hautpinsel) am Nachmittag am schönsten. Die Kamera sollte einen möglichst tiefliegenden Standpunkt haben. Wer sein Stativ sehr flach aufbauen kann, ist klar im Vorteil. So bekommt man die schönste Vorder- und Hintergrundsituation.

Im Einzelfall kann es sogar von Vorteil sein, sich flach hinzulegen und die Kamera auf einen Bohnensack oder einfach den Fotorucksack aufzulegen.

Zwischen den Kegelrobbenbullen kann es schon mal zu Gerangel kommen. Für solche Situationen sollte die Serienaufnahme eingeschaltet sein. Manchmal spielen die Kegelrobben mit den Bojen. Meistens liegen die Tiere aber einfach nur am Strand und ruhen sich aus. Bei ruhiger See gelingen einem so sehr friedliche Aufnahmen. Während die Seehunde ihre Jungtiere im Sommer gebären, kommen Kegelrobben erst im Winter zur Welt. Wer im Herbst auf die Insel kommt, wird also „nur“ junge Seehunde antreffen. 

Viele von ihnen leiden unter Lungenwürmern, was man daran erkennt, dass die kleinen Mäuler blutverschmiert sind. Die Sterblichkeit unter den Jungtieren ist daher leider sehr hoch.

Neben diesen beiden Robbenarten, lohnt sich ein Ausflug auf die Düne zur Vogelzugzeit aber auch wegen der vielen Kleinvögel. Insbesondere Wiesenpieper und Steinschmätzer kommen in großen Mengen in Strandnähe mit seinen aufgeworfenen Tanghaufen und den Millionen Tangfliegen vor; aber auch viele andere Arten, darunter seltenere Vögel wie Ohrenlerche, Sporn- oder Schneeammer. Die Dünenmitte ist gebüschreich. Dementsprechend dominieren viele beerenfressende Kleinvögel, ähnlich wie am Kringel. Die größten „Vögel“ auf der Düne sind motorisiert. Bei gutem Wetter herrscht auf Helgoland reichlich Flugverkehr. Insgesamt ist die Düne aber wenig baulich erschlossen. Westlich der Start- und Landebahn liegen zwei Süßwasserteiche, die allerdings nicht sonderlich spektakulär sind. Meistens sieht man nur Stockenten und Teichrallen. Wer Glück hat, kann aber auch Wasserrallen und Teichrohrsänger beobachten.

Fazit

Helgoland ist für den Natur- und Tierfotografen ein absolutes Muss. Die exponierte Lage in der Nordsee macht die Sonderstellung der Insel(n) aus, die zu einem unglaublichen Vogelreichtum führt. Ein Besuch lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Die größten Vogelmassen – mal abgesehen vom Brutgeschehen am Lummenfelsen und der Langen Anna – gibt es aber zur Herbstzugzeit. Zu empfehlen ist ein breites Spektrum an Brennweiten vom Weitwinkel- bis zum großen Teleobjektiv. Gute Dienste für Flugaufnahmen leistet ein Zoom bis 300 mm, mit dem noch Aufnahmen aus der Hand möglich sind. Für längere Brennweiten ist ein stabiles Stativ unumgänglich. In diesem Artikel habe ich die besten Fotopunkte beschrieben: Der Lummenfelsen und die Lange Anna, der Nordstrand, der Kringel und die Nachbarinsel Düne. Letztlich lassen sich aber an vielen Stellen gute Fotos machen.

Hier geht es zu meinem Bericht über die einzigartige Reptilienfauna der Galápagos-Inseln.

2 Kommentare

  1. Rachor Anastasia

    Wunderschöne Fotos und ein toller Reisebericht auch für Hobbyfotografen . Vielen Dank das man daran teilhaben darf .

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  2. Ralf

    Schöner Bericht und tolle Fotos, ich ziehe meinen Hut. Helgoland steht für mich schon lange auf meiner Naturfotografie-to-do-Liste, leider habe ich es bisher nicht dort hin geschafft. Nochmals danke für die tollen Infos und liebe Grüße!

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